Dynamic Pricing: Wunderwaffe oder Kundenschreck?

Dynamic Pricing– ein neumodisches Buzzword, das vor allem im Zusammenhang mit Big Data und E-Commerce immer wieder aufkommt. Allein beim Klang dieses Wortes, kann man praktisch die angstverzerrten Gesichter und die erhobenen Zeigefinger der Verbraucherschützer sehen. Eine kurze Recherche bestätigt, was man schon geahnt hat: Dynamic Pricing ist offensichtlich der Gipfel der bösartigen Auswucherung von Big Data. Der gläserne Kunde gibt all seine persönlichen Daten preis und als Belohnung dafür bekommt er den Preis, der seiner individuellen, maximalen Zahlungsbereitschaft entspricht. So läuft das doch, oder?  

Aber was genau ist Dynamic Pricing überhaupt?

Dynamische Preissteuerung (engl. Dynamic Pricing) hat seinen Ursprung in den 1970er Jahren mit der Deregulierung des amerikanischen Luftverkehrs. Durch die neue, starke Konkurrenz von Low-Cost Carriern wurden die etablierten Fluggesellschaften unter Druck gesetzt und griffen auf das Instrument der Preisdifferenzierung zurück – mit durchschlagendem Erfolg. Rasch breitete sich dieses Phänomen auch in anderen Branchen aus, sodass es mittlerweile vor allem in der Reise- und Tourismusbranche gängige Praxis ist. Aber auch für Onlineshops ist Dynamic Pricing interessant. Als beispielsweise bekannt wurde, dass Amazon die Preise bestimmter Produkte zur Weihnachtszeit mehrmals am Tag änderte, schlug das hohe Wellen, auch außerhalb der Branche. Dynamic Pricing beschreibt die Preisstrategie, bei der der Preis für ein Gut über die Zeit angepasst wird, abhängig von verschiedenen marktabhängigen Informationen. Die Grundregel ist so einfach wie genial: Wenn zahlungskräftiges Kundenklientel erwartet wird, werden die Preise erhöht. Wird dagegen eine schwache Nachfrage vermutet, werden die Preise gesenkt. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Preisanpassung anhand des Wetters. Bei Regen wird eine höhere Zahlungsbereitschaft für beispielsweise Regenschirme unterstellt und aufgrund dessen die Preise für diese Produkte erhöht. Beim Dynamic Pricing werden die Preise also in Abhängigkeit von der auf den Gesamtmarkt aggregierten Nachfrage angepasst. Das heißt für die Berechnung des Preises bei Dynamic Pricing fließen theoretisch nur situative Informationen wie Tageszeit, Wetter oder dem Wettbewerbspreis mit ein. Damit lässt sich Dynamic Pricing als eine Form der Preisdifferenzierung 3. Grades einordnen. Preisdifferenzierung 3. Grades liegt vor, wenn verschiedene Personengruppen für dasselbe Gut unterschiedliche Preise bezahlen. Klassisches Beispiel ist hierfür der Studentenrabatt im Schwimmbad. Wichtig dabei ist jedoch, dass Personen ihr Segment nicht oder nur mit erheblichen Aufwand wechseln können.

Quelle: Krämer, A., Kalka, R., & Ziehe, N. (2016). Personalisiertes und dynamisches Pricing aus Einzelhandels- und Verbrauchersicht. Marketing Review St. Gallen, S. 3

Wenn von Dynamic Pricing die Rede ist, ist aber meistens eigentlich Personal Pricing, also personalisierte Preise, gemeint. Das personalisierte Pricing zielt darauf ab, jedem Nachfrager seinen eigenen, individuellen Preis anzuzeigen. Es wird also versucht mit Hilfe von möglichst vielen Informationen (Big Data) die maximale Zahlungsbereitschaft der einzelnen Kunden zu ermitteln. So werden im Gegensatz zu Dynamic Pricing beispielsweise Cookies, demografische Daten und das historische Einkaufsverhalten analysiert um eine möglichst genaue Zahlungsbereitschaft abzuschätzen. Damit ist personalisiertes Pricing der Preisdifferenzierung 1. Grades zuzuordnen und in der Theorie nicht identisch mit Dynamic Pricing. In der Praxis jedoch ist diese Grenze fließend und für den Verbraucher von außen praktisch unmöglich zu unterscheiden. Wie Abbildung 1 zeigt, lassen sich die beiden Pricing Strategien auch problemlos miteinander kombinieren und schaffen so im Extremfall eine Mischung aus Dynamic Pricing und Personal Pricing.  

Die Angst vor personalisierten Preisen ist unberechtigt

Bevor die Ersten jetzt erbost ihre Stimme heben: Keine Panik! Vor allem personalisierte Preise sind in der Praxis sehr viel weniger weit verbreitet als es die Medien suggerieren. In einer Studie aus dem Jahr 2016 wurden die Preisschwankungen von 200 verschiedenen Konsumgüterprodukten aus dem Online- und Einzelhandel über einen Zeitraum von 4 Wochen beobachtet (ohne Tourismus). Grafik Formen der Preisdifferenzierung innerhalb des dynamischen PricingQuelle: Krämer, A., Kalka, R., & Ziehe, N. (2016). Personalisiertes und dynamisches Pricing aus Einzelhandels- und Verbrauchersicht. Marketing Review St. Gallen, S. 5 Die Ergebnisse zeigen, dass insgesamt nur bei etwa ¼ der untersuchten Produkte Preisschwankungen erkannt wurden. Bei 3 von 4 Produkten blieben demzufolge die angezeigten Preise im beobachteten Zeitraum unverändert. Preisveränderungen konnten dabei insbesondere in Abhängigkeit von Wochentagen und Uhrzeit beobachtet werden. Bei keinem Anbieter konnten jedoch Hinweise für eine individuelle Preisbestimmung auf Basis eines Kundenkontos oder der Cookie-Einstellungen festgestellt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrzahl der Anbieter keine oder nur schwach dynamisierte Preisveränderungen vornehmen. Experten warnen sogar ausdrücklich vor stark diskriminierenden und undurchsichtigen Preisen.  

Fazit

Händler begeben sich mit Dynamic Pricing auf eine Gradwanderung. Auf der einen Seite steht das enorme Umsatzpotenzial, auf der anderen Seite verärgert eine zu starke Preisdiskriminierung die Verbraucher. Fasst man die Ergebnisse zusammen, kommt man zu dem Schluss, dass Dynamic Pricing eine sehr effektive Preisstrategie ist, von der oftmals sogar Verbraucher und Händler gleichermaßen profitieren. Jedoch stellt die wahrgenommene Preisfairness einen wichtigen Risikofaktor dar. Entsprechend ist ein sehr sensibler Umgang mit diesem Thema erforderlich.  

Was können Händler tun?

Wenn Sie also mit dem Gedanken spielen eine Dynamic Pricing Strategie für Ihren Onlineshop zu verwenden, dann beachten Sie folgende fünf Punkte:
  • Der korrekte Einsatz einer Dynamic Pricing Software kann unter Umständen sehr aufwendig sein. Stellen Sie sicher, dass der Einsatz von Dynamic Pricing in ihrem konkreten Fall wirtschaftlich sinnvoll ist.
  • Stellen Sie sicher, dass das Dynamic Pricing System effizient in den Onlineshop integriert wird und dass Prozesse und Organisation innerhalb des Shops darauf angepasst werden.
  • Die Daten, die Sie sammeln, sind die Grundlage für erfolgreiches Dynamic Pricing. Achten Sie darauf, dass diese Daten stets aktuell und in ausreichendem Maße vorhanden sind. Je mehr, desto besser!
  • Verzichten Sie auf den Einsatz von personalisierten Preisen und setzen Sie stattdessen auf klassisches Dynamic Pricing oder personalisierte Rabatte und Coupons.
  • Eines der wichtigsten Güter eines Händlers ist das Kundenvertrauen. Setzen Sie dieses Vertrauen nicht aufs Spiel mit undurchsichtigen und stark diskriminierenden Preisstrategien. Klare und ehrliche Kommunikation mit den Verbrauchern sollte im Vordergrund stehen!
 

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen